Die Natur erhält in unserem Bewusstsein in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert. Vielleicht wird uns unsere Abhängigkeit von unserer Umwelt deutlicher bewusst, je mehr sich Klimawandel und Umweltverschmutzung bemerkbar machen. Vielleicht ist es aber auch die Wirkung, die Pflanzen auf uns haben, die uns dazu bewegt, uns wieder verstärkt mit ihnen zu beschäftigen. Viele Menschen fühlen sich durch Gartenarbeit oder die Pflege von Pflanzen auf dem Balkon geerdet und beruhigt. Und schon allein das Betrachten von Blumen in ihrer Farben- und Formenvielfalt hebt die Stimmung. Der Duft von Rosen lässt uns innehalten und bewusst genießen. Auch in der Wohnung, sei es Wohnzimmer oder Home Office, entfalten gerade grüne Pflanzen ihre positive Wirkung: Ihr Anblick belebt und beruhig zugleich, außerdem werden vielen Arten luftreinigende Eigenschaften zugesprochen.
Künstlerin erklärt ihre Techniken
Für kreative Menschen liegt es daher nahe, sich auch im Bild mit Pflanzen und Blumen zu beschäftigen. Sowohl beim Malen als auch später beim Betrachten des Bildes entfalten sie eine ähnliche Wirkung wie in natura. In ihrem neuen Buch „Flower Power in Acryl – Inspirierende Blumenbilder malen“ zeigt Ruth Alice Kosnick, wie man ihre bezaubernden Blumenmotive in Acryl und Mixed Media umsetzen kann. Dabei geht sie auf wichtige Aspekte der Komposition und Bildplanung ein. Anschließend zeigt sie, wie man verschiedene Materialien kombinieren kann und – Schritt für Schritt – wie ihre Pflanzenbilder entstehen.
Ich werde hier einige Aspekte aus ihrem Buch aufgreifen und das eine oder andere Bild zeigen. Außerdem wird im Buch aber eine Vielfalt an Herangehensweisen und Techniken gezeigt, für die hier schlicht der Platz fehlt.
Insel des Innehaltens
Das Wichtigste beim Malen ist für die vielbeschäftigte Künstlerin das Abtauchen aus dem Alltag. Bei der künstlerischen Auseinandersetzung mit Pflanzen fallen viele kleine Details ins Auge, die man vorher vielleicht noch nie wahrgenommen hat. Durch diese Konzentration auf das Tun und das Wesen des pflanzlichen Motivs kann eine „Insel des Innehaltens“ entstehen, eine persönliche Auszeit.
Motive für Blumen- und Pflanzenbilder finden sich eigentlich überall. Man muss nur einen Schritt vor die Haustür wagen. Der eigene Garten oder Balkon, der Park um die Ecke oder ein Spaziergang durch Wald oder Feld bieten eine riesige Auswahl an interessanten Motiven. Dabei sind manchmal die zunächst unauffälligen besonders reizvoll.
Flexibel und vielfältig: Acrylfarbe und Mixed Media
Nicht nur für Blumen- und Pflanzenmotive ist Acrylfarbe ein wunderbares Medium. Sie ist leicht zu verarbeiten, lässt sich mit Wasser verdünnen und ist nach dem Trocknen wasserfest. Durch die Wasserlöslichkeit der Farbe kann man sie einfach auf die gewünschte Konsistenz bringen und Pinsel und Werkzeug lässt sich einfach mit Wasser abwaschen. Darüber hinaus kann man Acrylfarbe mit vielen anderen Farbmedien und Materialien kombinieren. Das sogenannte Mixed Media erhöht so noch die ohnehin große Bandbreite an Möglichkeiten.
Wie man welches Material mit welchem kombinieren kann, welche Techniken welche Effekte bringen und damit Blumen und Pflanzen auf der Leinwand das gewissen Etwas geben kann, zeigt Ruth Alice Kosnick in „Flower Power in Acryl“.
Außerdem erklärt sie, worauf man bei der Entwicklung eines Pflanzenmotivs achten kann. Kann, nicht muss, denn feste Regeln gibt es für die ganz persönliche Interpretation von Blumen und Pflanzen nicht.
„Wenn ich die Blüten, Stängel und Blätter einer Pflanze betrachte, versuche ich, ihre Wesensart zu erfassen. Die Wahl der Medien und der Technik, mit denen ich dann arbeite, wird stark von dem Charakter der jeweiligen Pflanzensorte beeinflusst.“
Überlegungen zur Gestaltung
Trotz aller künstlerischen Freiheit ist es natürlich hilfreich, vorab das eine oder andere zu wissen. Daher erklärt die Künstlerin zuerst die wichtigsten bildkompositorischen Grundlagen.
Format
Noch vor Malbeginn sollte man sich z. B. überlegen, auf welchem Format gemalt werden soll. „Form und Inhalt sind untrennbar miteinander verbunden. Jede Form, auch wenn es nur die unbearbeitete Leinwand ist, enthält bereits eine Aussage.“ Ein Hochformat kann aktiv und dynamisch wirken, ein Querformat strahlt eher Weite und Ruhe aus. Ein Quadrat kann ausgleichend sein, aber da hier die Platzierung des Schwerpunkts oft nicht einfach ist, kann es auch spannungsarm wirken.
Ruhe und Dynamik
Auch das Spiel mit Ruhe und Dynamik bzw. Harmonie und Spannung ist z. B. ein wichtiger Aspekt. Zu viel Harmonie macht ein Bild schnell langweilig, zu viel Dynamik wiederum kann chaotisch wirken und den Betrachter überfordern. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden, ja nachdem, was man ausdrücken möchte.
Bildschwerpunkt
Ob ein Blumenbild ruhig oder spannungsreich wirkt, entscheidet auch die Platzierung des Bildschwerpunkts. Mittige Anordnungen können Ausgewogenheit vermitteln, möglicherweise aber auch Langeweile. Setzt man den Bildschwerpunkt aber außerhalb der Mitte, z. B. im Goldenen Schnitt, bewegt sich das Auge des Betrachters durch das Bild und es entstehen Harmonie und Spannung. Im Goldenen Schnittes teilt man die Höhe und die Breite eines Malgrunds jeweils in einem ungefähren Verhältnis von 1/3 zu 2/3.
Bildausschnitt
Dort hinein spielt auch die Wahl des Bildausschnitts. Eine vollständig darstellte Blüte wirkt meist in sich abgeschlossen und ruhig, während eine angeschnittene Blume, bei der Bereiche „abgeschnitten“ sind, Spannung aufbaut, weil sie Raum für die Fantasie des Betrachters lässt. Allerdings sollte man hier darauf achten, dass z. B. die Blütenköpfe nicht mittig durchtrennt sind.
Kontraste
Spannung und Dynamik lassen sich auch durch Kontraste zum Ausdruck bringen. Beim Komplementärkontrast z. B. werden zwei Farben verwendet, die sich im Farbkreis gegenüberstehen. Nebeneinandergesetzt haben sie sich maximal voneinander ab. Beim Quantitätskontrast überwiegt ein Farbbereich, z. B. wenige helle Blüten vor einem dunklen Hintergrund. Es gibt noch zahlreiche andere Kontraste, wie den Hell-Dunkel-Kontrast, den Qualitätskontrast zwischen reinen und abgetönten Farben etc. Kontraste sollten mit Bedacht eingesetzt werden, denn zu viele Kontraste können dazu führen, dass das Bild chaotisch wirkt.
Tiefenwirkung
Für die Tiefenwirkung eines Pflanzenmotivs sind sowohl Überlagerungen als auch die relative Farbgebung der einzelnen Elemente entscheidend. So erwecken überlappende Blätter den Eindruck von Räumlichkeit ebenso wie eine mit größerer Entfernung zunehmend zurückhaltende Farbgebung.
Diese und viele andere Überlegungen zur Bildkomposition, vom Negativraum über die Form- und Farbgestaltung bis hin zum Malduktus erklärt Ruth Alice Kosnick in ihrem Buch.
Flower Power in Acryl
Inspirierende Blumenbilder malen
Ruth Alice Kosnick
22,7 x 27,1 cm, 112 Seiten, ca. 80 Abbildungen, Hardcover
Christophorus Verlag
ISBN: 9783862304233
19,99€
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Blumen-Motive bringen mich stets in eine positive, naturbessonnene Stimmung. Die Farbtöne sind ebenfalls hervorragend gewählt!
Hallo Jean, es freut uns, dass dir die Farben gut gefallen 🙂 Ja, Blumen-Motive entspannen und erden gleichzeitig.
Hallo!
Wirklich tolle Bilder! Und das Buch klingt auch super interessant! Kann man hier vielleicht schonmal verraten, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Farben und Stifte verwendet wurden?
Viele Grüße 🙂