Expressive Abstraktion – Im Gespräch mit Andrea Rathert-Schützdeller

Farben, Formen und Intuition sind das bestimmende Moment in der Malerei von Andrea Rathert-Schützdeller. Der Abstraktion gilt dabei ihr ganz besonderes Augenmerk. Ihre Kunst ist voll dichter Atmosphäre. Dabei gelingt es ihr, Gegenstände, Landschaften, Menschen vor dem inneren Auge in einer anderen Bildsprache zu sehen und umzusetzen.

Rathert-Schützdeller, Das kleine Vielleicht
Andrea Rathert-Schützdeller, "Das kleine Vielleicht", 2019. Acryl auf Leinwand, 70 x 70 cm.

Der Weg zum eigenen Stil

Ihre erste Lehrerin – die Privatdozentin Angela Ramsauer – war prägend für ihre Art der Farbkombination. Nach drei Jahren der intensiven Beschäftigung mit freier Malerei und Collage, traf Andrea Rathert-Schützdeller dann auf Martina Strahl. Bei ihr lernte sie Zeichnen nach der Betty Edward–Methode. Diese Methode, die sie „malerisches Zeichnen“ nennt, betrachtet sie als wunderbare Sehschule und empfiehlt sie auch heute ihren eigenen Kursteilnehmern.
In den Folgejahren besuchte die Künstlerin unterschiedliche Fortbildungen, wobei sie Prof. Jo Bukowski besonders beeinflusste und sie bis dahin geltende Glaubenssätze überdenken ließ.

„Immer wieder bin ich überrascht was durch das Einlassen auf TUN / BETRACHTEN / VERÄNDERN / NICHTS WOLLEN auf der Leinwand passiert.”

Rathert-Schützdeller, Weil immer was geht
Andrea Rathert-Schützdeller, "Weil immer was geht", 2019. Acryl auf Leinwand 35 x 35 cm.

Wechselspiel aus Intuition, Experiment und konkreter Planung

Die Malerei mit Acrylfarben und ihren Mischformen fasziniert sie dabei wie am ersten Tag. Es ist vor allem die Vielfältigkeit der Techniken und die fast unendliche Wandelbarkeit, die Andrea Rathert-Schützdeller in jedem Bild neu begeistert. Diese Eigenschaften bilden die Grundlage ihrer Arbeitsweise, die von einem Wechselspiel von Intuition, Experiment und konkreter Planung geprägt ist.
Vor einigen Jahren entwickelte die Künstlerin eine spezielle „Walzentechnik“. Dabei wird mit einer Farbwalze satt und schnell Farbe aufgetragen. Man kann sie für eine erste Schicht nutzen, aber auch das Bild in dieser Art und Weise fertig stellen. Auch in den Kursen erfreut sich diese Malweise großer Beliebtheit – besonders bei Teilnehmern, die sich mit einem freien Bildanfang schwer tun. 
Ein anderer Schwerpunkt bildet die Arbeit mit strukturgebenden Materialien. Die Kombination aus Experiment und Planung kommt hier besonders zum Tragen.

„Steht die Vermittlung eines bestimmten Themas im Vordergrund, wähle ich oft die Malerei mit unterschiedlichen Pinseln, da ich dabei das Gefühl habe, meine Gedanken und Emotionen am direktesten auf die Leinwand übertragen zu können.”

Die Themen ihrer Werke sind dabei sehr breit gefächert und können ganz unterschiedlich entstehen. Der Schwerpunkt liegt bei der Künstlerin jedoch auf der Abstraktion, auf Farbe, Form und Linie.

Rathert-Schützdeller, Transparenz 1
Andrea Rathert-Schützdeller, "Transparenz 1", 2020. Steinmehle und Acryl auf Karton im Rahmen, 70 x 50 cm.
Rathert-Schützdeller, Transparenz 2
Andrea Rathert-Schützdeller, "Transparenz 2", 2020. Steinmehle und Acryl auf Karton im Rahmen, 70 x 50 cm.

Farbgebung als prägendes Element

Auf die Frage nach einer Lieblingsfarbe erfährt man, dass ihre Bilder die ersten Jahre alle rot waren. Im Anschluss folgte eine Blauphase und danach die Hinwendung zu Schwarz/Weiß. Inzwischen hat Andrea Rathert-Schützdeller keine Lieblingstöne mehr, sondern nutzt die Breite der Farbpalette voll aus und setzt diese entsprechend der zu transportierenden Emotion ein. 
In jedem Bild ist die Farbgebung das prägende Element. Eine Bildidee kann dabei durch ganz unterschiedliche Impulse entstehen, ein Foto in der Zeitung oder ein bestimmter Bericht bzw. Schlagzeile / ein Liedtext / eine interessante Farbkombination in einem Schaufenster / eine starke Emotion.

Andrea Rathert-Schützdeller, Lass es los
Andrea Rathert-Schützdeller, "Lass es los", 2019. Acryl auf Leinwand, 80 x 80 cm.

Der Weg zum Bild

Ihre Werke sind meist Prozessbilder, denen i. d. R. keine konkrete Planung zugrunde liegt. Alles entsteht aus dem Moment. Zu Beginn macht sich die Künstlerin das Thema bewusst und begibt sich gedanklich z. B. in eine Situation oder sie verinnerlicht eine Textzeile.
Ihre Farben wählt sie aus, indem sie vor ihrem Farbenregal die unterschiedlichen Töne betrachtet. Dabei wartet sie auf den Moment, in dem ihre Augen an einer Farbe hängen bleiben.
Diese Farben gibt Andrea Rathert-Schützdeller dann auf eine Palette und der Auftrag mittels Spachtel, Pinsel, Rolle, Schwamm oder Hand kann beginnen. Charakteristischerweise beginnt die Künstlerin dabei am Bildrand. Eine Farbe ergibt die nächste und es passiert durchaus, dass eine vorher ausgewählte Farbe nicht weiter verwendet wird, da ihr auf einmal eine andere“ richtiger“ erscheint. 

„Bei dieser manchmal fast meditativen Arbeit kreisen Gedanken und Gefühle in mir, gelangen an die Oberfläche und finden ihren Platz auf dem Malgrund”, beschreibt sie ihre Vertiefung in das Malen. Doch ab einem bestimmten Punkt tritt eine Veränderung in der Arbeitsweise ein. Der Dialog zwischen Werk und Künstlerin beginnt: 

„Ich entdecke mir wichtige Details – weiß auf einmal, welche Partien verändert, welche Linie verstärkt oder welcher Bereich beruhigt werden muss. Es ist, als würden sich Puzzleteile zusammenfügen.“

Andrea Rathert-Schützdeller, Resonanz
Andrea Rathert-Schützdeller, "Resonanz", 2020. Acryl und Strukturmasse auf Leinwand, 70 x 100 cm.

Der Fantasie Raum geben

„Bilder haben ein Äußeres und ein Inneres – sie bergen Geschichten und geben der Fantasie Raum.”

Bei den Werken der Künstlerin sind Dinge und Personen manchmal noch in Ansätzen oder in stark abgewandelter Form teilweise zu erfassen. Sie sind Spiegelbilder der eigenen Wahrnehmungen, Empfindungen, Eindrücke, Emotionen, Gedanken und Nichtbewusstes, die als spannendes Wechselspiel zwischen formalen Strukturen, farblichen Nuancierungen und figuralen Elementen auf die Leinwand gebracht werden. 
„Auf diese Weise”, erklärt Andrea Rathert-Schützdeller, „bergen und verbergen sie meine Geschichten, die der Betrachter eventuell auf- oder erspürt, oder aber seine eigene und gänzlich andere Geschichte findet, da die abstrakte Malerei der Fantasie den nötigen Raum dafür bietet.”

Andrea Rathert-Schützdeller, Neue Sachlichkeit
Andrea Rathert-Schützdeller, "Neue Sachlichkeit", 2020. Acryl auf Leinwand, 70 x 100 cm.

Lieblingsort Atelier

„Malen ist wie Therapie, nur schöner. Ist es nicht wunderbar, seine Gefühle über Farbe und Form zum Ausdruck bringen zu können?”

Die Künstlerin arbeitet ausschließlich in ihrem Atelier und das ausgesprochen gerne. Die Uhrzeit spielt dabei keine Rolle. Es kann sein, dass sie sich so gar nicht vom Bild lösen kann und erst in der Nacht das Atelier wieder verlässt.
Dabei ist wichtig, dass jede Farbflasche an einer bestimmten Stelle steht, da Andrea Rathert-Schützdeller meist intuitiv arbeitet und der Flow unterbrochen ist, wenn sie eine Farbe erst suchen muss.

„Man hat mir mal die Frage gestellt, woher ich meine Kreativität nehme (…). Es war so, als ob man mich fragen würde, wie ich atme.”

Andrea
Rathert-Schützdeller

Vöcklinghauser Str. 8
45130 Essen

Atelier:
AndreARS Galerie und Atelier
Steeler Str. 330
45138 Essen

0173 516 25 45
0201 40 67 72
ars.essen@email.de

Andrea Rathert-Schützdeller
Andrea Rathert-Schützdeller (© bildwerkeins_paulwalther)

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Eine Antwort auf „Expressive Abstraktion – Im Gespräch mit Andrea Rathert-Schützdeller“

  1. Wow, wunderschön sieht das Bild aus. Es ähnelt auch einem Aquarell. Ob als eine Aquarell Tattoo kann ich es mir auch sehr gut vorstellen. Wäre mal was ganz anderes…  Danke für den Tipp!

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