Die Künstlerin und Zeichnerin Nora Brügel versteht das künstlerische Arbeiten als einen Prozess. Sie nennt das “Denken auf Papier”. Dabei entscheidet das Motiv über das Zeichenmaterial. Ganz besonders liebt sie aber das Zeichnen mit Bleistift sowie mit flüssiger Tusche und Zeichenfeder.
Der individuelle Strich
Im Gespräch mit Nora Brügel
Nora Brügel hat schon früh mit dem Zeichnen begonnen. Sie entstammt einer Künstlerfamilie und entsprechend früh wurde bei ihr das Interesse an der Kunst geweckt. Von der Mutter, einer Kunst- und Deutschlehrerin, bekam sie die Liebe zur Literatur, zum Schreiben und Erzählen weitergegeben. Der Vater, der als Professor für Didaktik und Pädagogik im Bereich Bildende Kunst selbst Künstler und ein exzellenter Zeichner ist, brachte ihr dagegen schon früh die Grundkenntnisse des Zeichnens bei. Später dann studierte Nora Brügel Architektur und nahm Zeichenunterricht bei F. W. Bernstein, der an der Hochschule der Künste in Berlin seinerzeit weltweit die einzige Professur für Karikatur und Bildgeschichte hatte. Als Lehrer war er für Nora Brügel sehr wichtig und prägend. Ebenso wie Nanne Meyer, die ihr als eine eher konzeptionelle freie Zeichnerin noch einmal einen ganz anderen Blick auf die Zeichnung näher gebracht hat.
Illustration und Theaterluft
Bereits während des Architekturstudiums entwickelte sich ihre thematische Nische und Nora Brügel erhielt Zeichenaufträge von Architektur -und Landschaftsarchitekturbüros. Später kamen dann noch Aufträge von Film- und Werbeagenturen hinzu, die sich mit räumlichen und baulichen Aufgaben beschäftigten. Nach dem Architekturstudium folgte noch ein zweijähriges Aufbaustudium für Bühnen- und Kostümbild an der Technischen Universität Berlin und Stationen als Bühnenbildassistentin und als selbstständige Bühnen- und Kostümbildnerin in München.
Die Zeit am Theater hat ihren Zeichenstil gleichfalls geprägt, denn hierdurch wurde das erzählerische Element bei Nora Brügel stärker. All dies half ihr dabei, einen individuellen Strich zu entwickeln. Seit einigen Jahren unterrichtet Nora Brügel als freischaffende Künstlerin im Bereich Zeichnen an verschiedenen Institutionen.
Inspiration Leben – der eigene Blick
Der eigene Blick ist Nora Brügel wichtig. Inspiration für ihre Zeichnungen findet sie vor allem im urbanen Umfeld und im Alltäglichen sowie gerne auch auf Reisen. „Mich interessieren die ständigen Veränderungen, gerade auch die baulich-räumlichen, um mich herum. Daher richte ich meinen Blick auf Orte und Dinge, die gerade im Verschwinden begriffen sind oder sich gerade im Aufbau befinden.“
Dazu gehört dann auch schon einmal Abrisshäuser und von der Natur Überwuchertes, Orte ohne jeglichen Gestaltungswillen (siehe auch: Buchtipp Abandoned Places). Viele der Orte, die Nora Brügel mit dem Bleistift oder mit der Zeichenfeder so auf Papier gebannt hat, gibt es in dieser Form nicht mehr.
„Es sind quasi Momentzeichnungen. Natürlich gibt es auf meinen Bildern auch Menschen, Regen, Schnee und Wind, aber alles ist in Bewegung.”
Und so kann man sagen, dass Nora Brügels Thema die Zeit und die mit ihr einhergehende beständige Veränderung der Welt ist.
„Denken auf Papier“
Sich selbst bezeichnet Nora Brügel als eine gegenständliche Zeichnerin, wobei sich ihr individueller Strich über die Jahre entwickelt hat. Das Motiv entscheidet dabei über das Zeichenmaterial. Wobei Nora Brügel das Arbeiten mit dem Bleistift, bzw. mit Graphit ganz allgemein und mit der flüssigen Tusche und Zeichenfeder ganz besonders liebt.
Nora Brügel zeichnet meist monochrom. Wenn sie mit Aquarellstiften, Aquarellfarbe oder Farbstiften arbeitet, achtet sie zudem stets auf eine eher reduzierte Farbigkeit und auf einen einheitlichen Farbklang.
Kreativität als Prozess
Nora Brügel sieht das künstlerische Arbeit als einen künstlerischen Prozess an.
„Man darf sich Kreativität nicht als einen Intuitionsblitz vorstellen, der im Kopf urplötzlich einschlägt und schon hat man die Idee oder die Lösung der Aufgabe“.
In der Kunst sei viel mehr das divergente Denken gefragt, das Ausprobieren, Reflektieren, Neuüberdenken, auch der Zufall spiele eine Rolle. Im Gegensatz zum planvollen Vorgehen, sagt sie, könne man das divergente Denken „als eine Art Gießkannenprinzip verstehen und dabei ist das permanente Scheitern integraler Bestandteil der Lösungsfindung.“
Beim Prozess des Zeichnens gibt es für Nora Brügel keinen Moment des Entspannens. Permanente Konzentration und genaue Wahrnehmung stehen dem entgegen. Glücklich sei sie erst dann, so erklärt sie, wenn ihr eine Zeichnung gelungen sei, davor sei es „vor allem viel Arbeit“.
Foto: Marc Doradzillo
Nora Brügel
Arnulfstraße 275
80639 München
www.norabruegel.de
Galerie
Atelier 4e
Riegeler Straße 4e
79111 Freiburg
www.atelier4e.de
Zeichnungen, aktuelle Termine von Vorträgen, Zeichenseminare und Ausstellungen: www.norabruegel.de
Lehrtätigkeiten
Akademie Faber-Castell
www.akademie-faber-castell.de
Bildungshaus Kloster Neustift, Südtirol
www.kloster-neustift.it
Artistravel
www.artistravel.eu
Bagage, Pädagogische Ideenwerkstatt e.V., Freiburg/Br.,
www.bagage.de
Münchner Volkshochschule
www.mvhs.de
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