Bauhausfrauen

Das Staatliche Bauhaus wurde 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet mit dem Ziel, Handwerk und Kunst zu verbinden. Sehr zur Überraschung von Walter Gropius fand das Bauhaus schnell bei unkonventionellen Frauen großen Anklang und sie schrieben sich für die unterschiedlichsten Lehrgänge ein. Ende April verzeichnete das Bauhaus neben 79 jungen Männern auch 84 junge Frauen, sehr zum Erstaunen der männlichen Lehrkräfte und Kommilitonen.

100 Jahre Bauhaus – Bauhausfrauen


Als Architektinnen, Weberinnnen, Keramikerinnen oder auch Gestalterinnen nahmen sie das gestalterische Heft in die Hand und schufen Herausragendes. Sie wurden Meisterinnen in Handwerk, Kunst und Design. Und sie wollten einen Berufsabschluss machen, womöglich sogar selbst lehren – ein Paukenschlag!

„Wir saßen da und haben es einfach probiert.“ 
Anni Albers

 

Weberinnen Treppe Bauhaus
Weberinnen auf der Bauhaustreppe (Foto T. Lux Feininger, © Estate of T. Lux Feininger, Bauhaus-Archiv Berlin)

Meisterinnen gegen alle Widerstände

Die künstlerischen Arbeiten dieser ungewöhnlichen und mutigen Frauen wurden lange nicht beachtet oder waren im Laufe der Jahrzehnte sogar völlig in Vergessenheit geraten. Und so manche ihrer Arbeiten wurden später fälschlicherweise sogar männlichen Kollegen zugeschrieben.
Ulrike Müller, die seit 1992 selbst in Weimar lebt, hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihrem Buch 
gegen dieses Vergessen kenntnis- und faktenreich anzugehen. Die Situation der Frauen am Bauhaus beschreibt Ulrike Müller so:

„Ihr Eindringen in andere Bereiche setzte ein großes Selbstbewusstsein voraus, zudem mussten sie in ihrer Arbeit besser sein als ihre männlichen Kollegen.”

Dörte Helm Komposition mit weiblichem Kopf
Dörte Helm, »Komposition mit weiblichem Kopf«, Bleistift/Wasserfarben, 1920/22 (Nachlass Helm, Privatarchiv Cornelia Heise)

Moderner und aktueller denn je

Und unwillkürlich drängt sich Gedanke auf, dass seither zwar hundert Jahre vergangen sind, bestimmte Situationen jedoch Frauen von heute keineswegs unbekannt sind. Wir erleben diese Dinge auch heute noch alltäglich. Equal Pay sage ich nur. Und denkt an die Rente – durchschnittlich bekommen Rentnerinnen rund 60 Prozent weniger als Rentner! Dass wir Frauen noch nebenher den Haushalt schmeißen zahlt halt keiner …
In den 14 Jahren, in denen das Bauhaus existierte, wurde den Frauen dort der künstlerisch-gestalterische Weg jedenfalls auch nicht leicht gemacht. Und wie so oft im Leben erwächst gerade aus schwierigen Umständen etwas Besonderes. Ulrike Müller schreibt dazu:

„Der emanzipatorische Sprung der Bauhausfrauen im April 1919 besaß die aufgestaute Energie von mehreren Jahrhunderten erzwungener weiblicher Zurückhaltung.”

 

Porträt Otti Berger
Porträt Otti Berger, Porträt aus einer Serie von 10 Porträtfotos von Lucia Moholy, 1927/28 (Bauhaus-Archiv Berlin)
Margarete Heymann-Loebenstein-Marks
Margarete Heymann-Loebenstein-Marks, Porträtfoto 1920er-Jahre (Bauhaus-Archiv Berlin)

Eine längst überfällige Würdigung

Das Buch würdigt erstmals die Leistung der Frauen am Bauhaus in allen gestalterischen Bereichen und ist zudem auch optisch ein Augenschmaus. Mir haben insbesondere die einfühlsamen Porträts der insgesamt 21 vorgestellten Bauhausfrauen gefallen, die mit ihrem Leben und Schaffen vorgestellt werden.
Gemeinsam war ihnen allen, dass sie hochmotiviert und lernbegierig ans Werk gingen. Und dabei mit Mut und Entschlossenheit im Bauhaus eine Chance für eine persönliche wie gesellschaftliche Weiterentwicklung sahen. Diese Entschlossenheit, das dokumentiert der Band, setzte einen ungeheuren Kreativitätsschub frei, eine positive Macht des Handelns. Eines Handelns, dass das traditionelle Frauenbild in Frage stellte.

 

Ida Kerkovius, Bodenteppich Bauhaus
Ida Kerkovius, Bodenteppich Bauhaus, 1923 (S. 28 Bauhaus-Archiv Berlin)
Gunta Stölzl oT
Gunta Stölzl, ohne Titel, Aquarell und farbige Kreide auf dickem Papier, 1921 (Archiv Gunta Stölzl)

Zweite Reihe und Rückgang der Studentinnenzahl


Dennoch auch die Bauhausfrauen agierten in der Karriereplanung weniger selbstbewusst und nahmen oftmals eher die Plätze in der zweiten Reihe ein. Sie hatten stärker den Gemeinschaftsgedanken verinnerlicht als die Sorge um das eigene Werk und die Position. Selbst hochbegabte Studentinnen erreichten am Bauhaus weniger Leitungspositionen und wurden weniger bekannt.
Im Wintersemester 1932/33 studierten am Bauhaus in Berlin noch 25 Frauen und 90 Männer. 1933 erhielten dann viele BauhäuslerInnen Berufsverbot, weil sie sich politisch engagiert oder jüdische Wurzeln hatten. Oder eben ihre Kunst als „entartet“ eingestuft wurde. Oder gleich alles zusammen zu einer praktisch dreifachen Bedrohung durch die totalitäre Ideologie der Nationalsozialisten führte.

 

Marguerite Friedlaender-Wildenhain Drehscheibe
Marguerite Friedlaender-Wildenhain an der Drehscheibe in ihrer Werkstatt auf Pond-Farm, um 1950 (Knoll International)
Dörte Helm
Dörte Helm, 1925. Reproduktion nach altem Foto aus dem Besitz von Frau Makowski, Berlin (Schwester von Dörte Helm) (Nachlass Helm, Privatarchiv Cornelia Heise)

Vorläufiges Fazit

Als vorläufiges Fazit schreibt Ulrike Müller dazu:„Das 100-jährige Bauhausjubiläum hat nun im Vorfeld die Chance eröffnet, dass die Bauhausfrauen und ihre Werke als ein wesentlicher Teil der vergessenen weiblichen Moderne neu wahrgenommen werden. Bleibt zu hoffen, dass diese ein unumkehrbarer Prozess wird.“ Dem ist nichts hinzuzufügen – der Titel Bauhausfrauen ist absolut lesenswert.

 

Bauhausfrauen

Ulrike Müller

24,5 x 31 cm, 168 Seiten
gebunden mit Schutzumschlag,
Exklusive, komplett überarbeitete Jubiläumsausgabe im Großformat

Elisabeth Sandmann Verlag
ISBN: 978-3-945543-57-3
39,95€

 

Über die Autorin

Ulrike Müller studierte Kirchenmusik, Philosophie, Theologie und Literaturwissenschaft in Hamburg und promovierte 1989 über Else Lasker-Schüler. Seit 1992 lebt sie in Weimar und ist dort als Reiseleiterin, Museumspädagogin, freie Referentin und Autorin tätig. Außerdem tritt sie mit musikalisch-literarischen Salonprogrammen auf.
 
 

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