Beim freien und experimentellen Malen entstehen oft eine Vielzahl tolle Strukturen, Formen und Farbtönen. Manchmal ist das Bild aber vielleicht auch zu ruhig und ein wenig eintönig. Anhand einer abstrakten Meereslandschaft zeigt euch Angelika Biber, wie einfach es ist, die Spannung zu steigern und die Konzentration im Bild zu setzen und auch zu verändern.
Wie entsteht ein Bildfokus?
Zunächst stellt sich mal wieder die Frage: Was ist mir wichtig? Wohin soll der Blick gehen? Wohin lenke ich die Konzentration des Betrachters?
Dabei ist es gar nicht schwer, den Blick zu lenken (Es ist ein bisschen manipulativ, ich gebe es zu ;-)), wenn du weißt, wie es funktioniert. Durch bewusst gesetzte Kontraste kannst du mit dem Blick des Betrachters spielen und ihn ins Bild hinein lenken (oder auch wieder hinaus, wenn’s schiefläuft).
Ganz einfach gesagt: Immer dort, wo im Bild die stärksten Kontrastpaare zu finden sind, geht der Blick hin.
Vier praktische Lösungen von Angelika Biber
Beim folgenden Beispielbild ist der Kontrast von Farben und Formen sehr gering. Die Tonwerte liegen nah beieinander, d. h. ihre Helligkeiten sind sehr ähnlich. Bis auf einen sanft abgegrenzten Horizont sind die Übergänge zwischen den Farbflächen relativ weich. Es gibt keine klar abgegrenzte Form und nur wenige Strukturen. Also ein bisschen langweilig das Ganze, zumal ich auch nur in einfachen blauen Klängen unterwegs bin.

1. Hell-Dunkel-Kontraste
Eine Steigerung erreichst du schon, wenn du die Hell-Dunkel-Kontraste an der Stelle erhöhst, auf die du den Blick lenken möchtest. In diesem Falle erhält das Bild sofort mehr Spannung und Tiefe, da ich den Kontrast am Horizont erhöht habe. So wird der Blick in die Tiefe gezogen.

2. Intensivierung der Farbe
Den Fokus auf den Vordergrund kannst du durch eine Intensivierung der Farbe und eine sogenannte Farbperspektive legen. Entsprechend kommt im folgenden Bild der hellgrüne Farbton mehr nach vorn als die blauen und auch kleineren Flächen zum Horizont hin. Diese sind mit Weiß gebrochen, also eher zurückhaltend. Zudem wird der Farbe Blau auch eine “Fernwirkung” zugeschrieben.

3. Strukturen
Neben reinen und wärmeren Farbtönen ist eine stark strukturierte Fläche ebenfalls eine sehr gute Möglichkeit, ein Bild zu beleben und den Blick anzuziehen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, denn starke Strukturen ziehen zwar den Blick auf sich, machen das Bild immer auch unruhiger.

4. Lineare Akzente
Ebenso wie Strukturen und starke Farbflächen kannst du mit Linien arbeiten, um den Blick zu führen. Besonders Diagonalen ziehen den Betrachter ins Bild.
Störer – unerwartete, vermeintlich “unharmonische” Farben oder Formen – sind ebenfalls sehr wirkungsvoll. Hier sind es die beiden kurzen senkrechten Linien am Horizont. An ihnen bleibt der Blick gewissermaßen hängen. So verweilt die Aufmerksamkeit des Betrachters länger auf diesen Stellen und hält den Blick im Bild.

Natürlich ist der Bildaufbau häufig komplexer als in meinen vereinfachten Beispielen. Aber die am Anfang gestellte Frage: „Was ist dir wichtig?“ hilft dir, den Überblick zu behalten und die Konzentration im Bild richtig zu setzen.
Eine interessante Mixtur aus diesen Möglichkeiten zu schaffen, um die Bildaussage zu stärken und ausdrucksstarke Kompositionen zu erreichen ist immer wieder von Neuem spannend! Probier es aus!
Viel Freude bei allen Experimenten. Lass Farbe fließen!
Danke Angelika!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Angelika Biber auf www.atelier-farbraeume.de. Mit ihrer freundlichen Erlaubnis haben wir ihn hier leicht verändert noch einmal gepostet.

Angelika Biber
- freischaffende Künstlerin und Dozentin in ihrem Atelier ART FACTORY in Köln-Dünnwald
- kunstpädagogische Projektmitarbeiterin bei verschiedenen Bildungsträgern
- Autorin mehrerer Bücher zur experimentellen Malerei
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