Tizian im Städel

Was macht man, wenn draußen dichter Nebel so gar alle Farben schluckt und man schon bei dem ersten Blick aus dem Fenster in eine Art Winterblues verfallen möchte?
Man hat meines Erachtens zwei Möglichkeiten: Entweder man packt sich warm ein und zieht die dicken Stiefel an. Und genießt Licht und Luft bei einem Spaziergang. Oder aber man packt sich warm ein, zieht nicht ganz so dicke Stiefel an und geht ins Museum und genießt die Farbe in den Bildern. Tizianrot zum Beispiel!

Tizian, Bildnis eines jungen Mannes, um 1510. Städel Museum, Frankfurt am Main. © Städel Museum – ARTOTHEK
Tizian (um 1488/90–1576), Bildnis eines jungen Mannes, ca. 1510. Öl auf Pappelholz, 20 x 17 cm. Städel Museum, Frankfurt am Main. © Städel Museum – ARTOTHEK

Ein Meister der Renaissance

Das Städel Museum in Frankfurt präsentiert vom 13.02. – 26.05.2019 ein absolut hochkarätiges Spektrum der venezianischen Renaissance-Malerei. Und zeigt mit mehr als 20 Arbeiten von Tizian die umfangreichste Werkauswahl, die bislang in Deutschland zu sehen war.
Ausgehend von den italienischen Stadtstaaten kam es zu Beginn des 15. Jahrhunderts, im Zeitalter des Humanismus und der Reformation, zu einer „Renaissance“, einer Wiedergeburt der Künste und der Wissenschaften. Eine Rückbesinnung auf klassische Ideale ging damit einher, aber auch ein neu entfachtes Interesse am Menschen und an der ihn umgebenden Natur. Künstler wie Michelangelo, Leonardo da Vinci, Sandro Botticelli, Albrecht Dürer und Tizian, um nur einige zu nennen, stehen stellvertretend für die Begründung einer neuen Kunstrichtung. Einer Kunstrichtung, bei der das Studium der Perspektive ebenso Raum einnahm wie die genaue Beobachtung der Natur. 

Palma Vecchio (Jacopo Negretti),1480-1528, Jupiter in der Gestalt Dianas wirbt um Kallisto. Öl auf Pappelholz, 98 x 152 cm. Städel Museum, Frankfurt am Main.
Jacopo Palma il Vecchio (1479/80 – 1528), Zwei ruhende Nymphen, um 1510–15. Öl auf Pappelholz, 98,3 x 152,4 cm. Städel Museum, Frankfurt am Main. © Städel Museum – ARTOTHEK

„Tizian ist kein Maler (…), sondern ein Wunder!”

Sperone Speroni, DIANLOGO D`AMORE, 1542

War Florenz, die Stadt der Medici, noch Ausgangspunkt wie Zentrum der sogenannten Frührenaissance, so entwickelte sich in der Republik Venedig zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine besondere Kunstform der Renaissance. Eine Form, bei der die Wirkung von Licht und Farbe eine ganz besondere Rolle einnahm. Giovanni Bellini entwickelt hier eine bis dahin in der italienischen Kunst unbekannte Leuchtkraft der Farbe und gab dieses Wissen auch an seinen Schüler Tizian weiter. Zu Tizians Lebzeiten (1488/90 – 1576) zählte Venedig zu den zehn größten Metropolen der Welt. Hier hatte sich bereits um 1500 der eigenständige Berufsstand der Farbhändler herausgebildet und Venedig wurde zum Zentrum des Farbenhandels.

Venedig mit dem Canal Grande und seinem Licht- und Farbenspiel. (Foto: Britta Sopp)
Das stimmungsvolle Licht- und Farbenspiel in Venedig ist einzigartig. „La Serenissima“ ist eine Stadt der Kunst mit jahrhundertealten Kirchen und Palästen und natürlich dem Canal Grande. (Foto: Britta Sopp)

Leuchtkraft, Lichteffekte und Kontraste

Mit seinem dynamischen Pinselstrich und seiner ausdrucksstarken Lebendigkeit gilt Tizian als einer der bedeutendsten Vertreter der Hochrenaissance.
Diese besondere Rolle würdigt auch das Städel Museum in Frankfurt mit seiner Ausstellung. Tizians Umgang mit der Farbe führte bekanntermaßen zu völlig neuen Ausdruckswerten in der Kunst. Mit seiner freien Verwendung der Farbe und seinem großzügigen Farbauftrag, den deutlich sichtbaren Pinselstrichen und fließenden Konturen verkörpert Tizian wie kein anderer die virtuose Farbigkeit und lebendige Bewegtheit der venezianischen Renaissance. Die Ausstellung im Städel Museum gibt einen umfassenden Einblick in die gesamte künstlerische Bandbreite und unverwechselbare Malweise der Renaissance in Venedig. In insgesamt acht thematischen Kapiteln beschreibt die Ausstellung Charakteristiken der venezianischen Malerei des 16. Jahrhunderts wie etwa von Licht durchflutete Landschaftsdarstellungen. Auch der Bedeutung der Farbe ist eines dieser Kapitel gewidmet.

Tizian, Bildnis der Clarice Strozzi als Kind, 1542. Öl auf Leinwand. Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie. © bpk / Gemäldegalerie, SMB / Christoph Schmidt
Tizian (um 1488/90–1576), Bildnis der Clarice Strozzi, 1542. Öl auf Leinwand, 121,7 x 104,6 cm. Zustand nach der Restaurierung Juni 2002. Berlin, Staatliche Museen, Gemäldegalerie. © bpk / Gemäldegalerie, SMB / Christoph Schmidt

Von den Meistern lernen und sich begeistern lassen

Mit den Stichworten Licht und Farbe sind wir wieder beim Ausgangspunkt angekommen. Also gebe ich hier einmal eine Liebeserklärung an die Virtuosität der venezianischen Künstler und empfehle dringend den Besuch dieser wunderbaren Ausstellung. Es werden hochkarätige Leihgaben aus mehr als 60 deutschen und internationalen Museen gezeigt, der Besuch lohnt sich und ist ein absolutes Erlebnis! Also – lasst Euch von den Alten Meistern begeistern und macht Eurer Leben bunter …

Tizian, Retrato del dux Francesco Venier, c.1554-1556. Madrid, Museo Nacional Thyssen-Bornemisza. © Museo Nacional Thyssen-Bornemisza. Madrid
Tizian (um 1488/90–1576), Bildnis des Dogen Francesco Venier, 1554 - 56. Öl auf Leinwand, 113 x 99 cm. Madrid, Museo Nacional Thyssen-Bornemisza. © Museo Nacional Thyssen-Bornemisza. Madrid

Tizian
und die Renaissance in Venedig 

13.02. – 26.05.2019

Weitere Infos:

Städel Museum
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main
info@staedelmuseum.de
+49 (0) 69-605098-200

Video zur Ausstellung:

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