Farben als Ausdrucksmittel

Meist denken wir nicht darüber nach, nehmen sie gar nicht bewusst wahr. Dabei ist unsere Welt voller Farben! Ohne Farben wäre unsere Umgebung nicht nur trist und grau. Abgesehen von der rein ästhetischen – und auch emotionalen – Wirkung würden uns außerdem wichtige Signale fehlen, wie das rote Haltezeichen der Ampel oder die warnende schwarz-gelbe Zeichnung einer Wespe. Und eine weite Landschaft könnte nicht mit ihrem beruhigenden Grün ihre wohltuende Wirkung entfalten. Farbe ist das Ausdrucksmittel schlechthin!

Betrachtet man eine Fotografie oder ein Kunstwerk, zieht einen die Farbe als Erstes in ihren Bann. Wie kein anderes Gestaltungsmittel kann sie Stimmungen und Gefühle zum Ausdruck bringen. Und bei einem gemalten Bild ist die Art und Weise, wie ein Künstler Farben verwendet und kombiniert, zutiefst persönlich. So lassen häufig bereits der Farbklang und die Art des Auftrags erkennen, wer ein Bild geschaffen hat.

Unterschiedliches Farbmaterial – unterschiedliche Wirkung

In der Kunst ist nicht nur die Kombination von Farben für ihre Wirkung entscheidend, sondern auch das Farbmaterial selbst. Unterschiedliche Farbmaterialien entfalten unterschiedliche Wirkungen. So ergibt transparente Aquarellfarbe einen ganz anderen Eindruck als deckende Acrylfarben oder vielschichtig aufgetragene Ölfarbe.

Acrylfarbe: vielseitiges Farbmedium

Acrylfarbe besteht aus Kunststoffdispersionen und Farbpigmenten. Sie kann mit Wasser verdünnt werden und trocknen schnell und wasserfest auf. Ursprünglich für die Industrie, erfreut sie sich die Acrylfarbe seit Mitte der 50er-Jahre auch bei Künstlern großer Beliebtheit. Schließlich ist so vielseitig einsetzbar und mit anderen Materialien kombinierbar wie kaum ein anderes Farbmaterial. Sie ermöglicht zarte, fast transparente Aufträge ebenso wie deckende und pastose Aufstriche. Außerdem kann man ihr alle möglichen Zusätze beimischen, die ihre Konsistenz und Eigenschaften verändern. Allerdings beeinflussen diese Beimischungen auch die Farbwirkung der Acrylfarben. Daher sollten sie mit Bedacht eingesetzt und idealerweise vor dem Auftrag auf ein Bild ausprobiert werden.

Gouache: matt und deckend

Wenn man nicht viel mit Malerei oder Grafik am Hut hat, ist einem der Begriff Gouache möglicherweise nicht geläufig. Dabei haben wir alle gerade mit dieser Farbe wohl die meiste Erfahrung, schließlich sind die Farben, die wir als Wasserfarben in unserem Schulmalkasten hatten, Gouachefarben.
Bei der Gouachefarbe werden die Farbpigmente durch Gummiarabikum gebunden. Der Auftrag ist deckend. Die Farbe ist wasserlöslich und bleibt es im Gegensatz zur Acrylfarbe auch nach dem Trocknen. Daher kann man sie durch Übermalen wieder anlösen. Wegen ihrer satten Farbwirkung und einfachen Verarbeitung wurde Gouache früher häufig für grafische Arbeiten eingesetzt.

Aquarellfarbe: leicht und durchscheinend

Aquarellbilder begeistern durch ihre oft atmosphärische Anmutung. Häufig werden Aquarellfarben auch zur Kolorierung von Skizzen verwendet, wo schon ein Farbklecks ungemein zur Belebung der Szenerie beitragen kann.
Auch hier ist das Bindemittel meist Gummiarabikum, das die Pigmente zusammen und auf dem Papier hält. Im Vergleich zu Gouache sind die Pigmente allerdings hochwertiger und viel feiner gerieben. Deswegen lässt sich diese Farbe leichter und in sehr transparenten Schichten vermalen. Durch diese Transparenz scheinen auch übermalte Farbschichten durch die oberste Schicht hindurch, und es kommt zu einer optischen Überlagerung bzw. Mischung der Farben.

Ölfarbe: die Farbe der Alten Meister

Wie der Name schon sagt, werden hier die Pigmente durch trocknende Öle gebunden. Diese Öle trocknen sehr langsam, wodurch die Farbe sehr lange „offen“ bleibt, also weiterhin vermalt werden kann. Nach dem Trocknen ist Ölfarbe wasserfest und besticht durch ihre leicht glänzende Oberfläche und brillante Farbwirkung.

Farbkontraste und ihre Wirkung

Bereits aus der Antike ist belegt, dass man sich mit den Farben und ihrer Wirkung auseinandersetzte. Es wurden verschiedenste System entwickelt, in neuerer Zeit z. B. von Johann Wolfgang Goethe, der sich mit der „sinnlich-sittlichen“ Wirkung von Farben beschäftige.

Hier kontrastieren reine Farben mit gebrochenen. Die reinen Farbflächen wirken dadurch wie Lichtflecken auf einer düsteren Landschaft.

Die wichtigsten Farbbegriffe

Grundfarben / Primärfarben: Magenta (Rot), Cyan (Blau), Yellow (Gelb)

Sekundärfarben: jeweils gemischt aus zwei Primärfarben; Orange (Rot und Gelb), Grün (Blau und Gelb), Violett (Rot und Blau)

Komplementärfarben: sich im Farbkreis gegenüberliegende Farben, Rot – Grün, Blau – Orange, Gelb – Violett

In der Zeit des Bauhaus entwickelte Johannes Itten seinen Farbkreis und formulierte seine Theorie der sieben Farbkontraste, die bis heute gelehrt wird.
Farbkontraste können die beabsichtigte Aussage einer Komposition bzw. eines Bildes unterstützen und Spannung, Harmonie, Gegensätzlichkeit etc. hineinbringen.

Kombinationen von gebrochenen und reinen Farben.

Farbe-an-sich-Kontrast

Dieser Kontrast wird auch Farbe-zu-Farbe-Kontrast, Buntkontrast oder Farbton-Kontrast genannt. Dabei stehen sich mindestens drei reine, im Farbkreis weit auseinanderliegende Farben gegenüber. Am stärksten ist dieser Kontrast mit den drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau, auch in Verbindung mit Grün.

Kalt-Warm-Kontrast

Die meisten Farben empfinden wir entweder als kühl oder als warm. Farben mit Gelbanteil wird meist eine warme Ausstrahlung zugesprochen, Farben mit Blauanteil dagegen eine kalte. Die Gegenüberstellung und Gewichtung von kalten und warmen Farben beeinflusst die Bildwirkung wesentlich.

Simultankontrast

Dieser Kontrast ist eigentlich ein Trick unseres Gehirns. Wenn man für einige Zeit z. B. auf eine rote Fläche schaut und dann den Blick auf eine weiße Fläche richtet, meint man dort einen grünen Fleck zu sehen. Unser Gehirn ergänzt in der Wahrnehmung also automatisch die Komplementärfarbe der tatsächlich wahrgenommenen Farbe.

Überwiegend gebrochene Farbklänge.

Qualitätskontrast

Bei diesem Kontrast stehen reine Farben, also Primär- und Sekundärfarben, getrübten Farben, also weiter gemischten Farben, evtl. mit Grau- oder Braunanteil, gegenüber. Mit diesem Kontrast kann man Tiefe und Lebendigkeit in ein Bild bringen.

Hell-Dunkel-Kontrast

Dieser Kontrast hat die stärkste Wirkung, besonders wenn man ihn aus den Farben Schwarz und Weiß bildet. Der Kontrast zwischen hellen und dunklen Farben bringt Spannung in ein Bild.

In diesem Bild stehen sich die Farben komplementär gegenüber - z. B. Orange und Blau - und bringen sich so gegenseitig zum Leuchten.

Komplementärkontrast

Komplementärfarben, also Farben, die sich im Farbkreis gegenüberliegenden, verstärken sich gegenseitig in ihrer Intensität. Daher sind sie zusammen im Bild besonders eindrucksvoll. Aber Achtung: Vermischen sie sich, entsteht ein gebrochener Ton!

Quantitätskontrast

Hier geht es das Verhältnis der im Bild verwendeten Farbmengen. Durch eine große Menge eines bestimmten Farbtons, die einer kleinen Menge eines anderen Tons gegenübergestellt wird, entsteht Spannung.

Bildwirkung durch Farbe

Blickführung

Außer eine bestimmte gewünschte Stimmung in ein Bild zu bringen, kann Farbe aber noch viel mehr. So kann sie z. B. den Blick des Betrachters durch das Bild oder auf bestimmte Bildbereiche lenken. Auch hierbei helfen natürlich die Kontraste: Intensive Farbigkeit zieht mehr Aufmerksamkeit an als eine gedämpfte Farbfläche, die eher in den Hintergrund tritt. Warme Farben werden wiederum als weiter im Vordergrund wahrgenommen als kühle Farben. Die orange-rote Diagonale im Vordergrund ist dominanter als das Türkis und führt deswegen den Blick zum Horizont. Eine Diagonale bringt zudem Spannung in die horizontale Anordnung.

Tiefe

Das Prinzip „warme Farben vorn, kalte Farben hinten“ kann sich der Künstler auch zunutze machen, um Tiefe in ein Bild zu bringen. Farbtöne mit Orange-, Rot- oder Gelbanteilen treten bei der Bildwahrnehmung in den Vordergrund, kühlere Töne, also mit Blau-, Grün- oder Grau-Anteilen, erwecken den Eindruck von Ferne. Eine eher diffuse Gestaltung der Bereiche, die weiter entfernt wirken sollen, unterstützt diese Farbperspektive noch.

Warme Farben wirken näher, kühle Farben weiter entfernt. Daher führt hier die orange-rote Diagonale den Blick vom Vordergrund in den Hintergrund, zum Horizont. Außerdem erhält die horizontale Komposition durch die Diagonale Spannung.

Noch viel mehr Aspekte!

Das Thema Farbe als Ausdrucksmittel ist allerdings viel umfangreicher, als es hier soweit angerissen werden konnte. Farbe bietet unendliche Möglichkeiten! Wenn du mehr wissen möchtest, eintauchen willst in die Welt der Farben und was du damit künstlerisch erreichen kannst, dann sei die das ebook Farbe, Farbe, Farbe von Angelika Biber wärmstens empfohlen. Dort führt sie die hier nur kurz erwähnten Aspekte aus. Außerdem beantwortet sie viele Fragen, z. B. zu den verschiedenen Möglichkeiten des Farbauftrags, wie Farben beim Malen rein und leuchtend bleiben oder wie bestimmte Stimmungen entstehen.
Außerdem wird die psychologische Wirkung der Farbe thematisiert. Stimmungsvolle Fotografien des Fotografen Markus Jung unterstützen dabei die Aussagen dieses inspirierenden Buches!

Angelika Biber und Markus Jung. © Michael Falk

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