Sphärisch wolkenverhangene Felsen, fantastisch erleuchtete Städtesilhouetten oder in Sekundenbruchteilen festgehaltene Momente – die Fotografien von Markus Jung sind ganz eindeutig Kunst. Er fotografiert mit großem Einfühlungsvermögen in das Dargestellte und einem detaillierten Verständnis der Fotografie-Technik. Das unterscheidet seine Bilder vom schnellen Schnappschuss, den man heute mit dem Smartphone mal ganz nebenbei aufnehmen kann.
Markus Jungs Fotografie ist vielseitig: Er fotografiert Menschen in Aktion, Straßenszenen, aber auch die still ruhende Natur. Dabei haben es ihm andere, ungewöhnliche Perspektiven ebenso angetan wie Bewegungsunschärfen und Spiegelungen.
Selfmade-Fotograf
Der Industriekaufmann und ehemalige Einkaufsleiter hat klein angefangen: Mit etwa 10 Jahren bekam er seine erste Kamera. Bis heute kann er sich an sein erstes Motiv erinnern: Es waren die Eisbären im Kölner Zoo. Die Tiere liefen in ihrem Gehege hin und her, und Markus Jung weiß noch, wie sehr er sich bemühte, die Kamera ruhig zu halten und nicht zu verwackeln. Dieses erste Foto stand jahrelang an seinem Arbeitsplatz. Heute dürfen Aufnahmen auch einmal unscharf werden, denn häufig machen gerade Bewegungsunschärfen den Reiz eines Motivs aus.
Er beschäftigte sich eingehend mit den technischen Aspekten der Fotografie. Durch die aus heutiger Sicht einfache, analoge Ausstattung wurden ihm die Zusammenhänge deutlich. Auch Fotozeitschriften inspirierten ihn und zeigten ihm neue, kreative Fototechniken. Außerdem wurde er so zum ersten Mal mit Themen wie Bildgestaltung oder Farbgebung konfrontiert. Zum ersten Mal hörte er von der Drittelregel, dem Goldenen Schnitt, dem Rembrandt-Dreieck, der Blauen Stunde etc.
Erste Workshops, in jungen Jahren bei der VHS, erweiterten seinen Horizont zusätzlich. Z. B. wurden dort Fragen gestellt wie: „Sind Farben in einem komplett verdunkelten Raum immer noch Farben?“ Später kamen dann immer mehr Workshops bei sehr namhaften Fotografinnen und Fotografen in ganz Deutschland hinzu.
Die Kamera ist nur ein Werkzeug
Workshops, Literatur und Vorträge – also Wissen und Verständnis – waren Markus Jung schon immer wichtiger als Kameras und Objektive, die technische Ausstattung. Letztere sind für ihn nur Werkzeuge. Natürlich muss man sein Werkzeug in Ordnung halten und pflegen. Aber den Hype um die immer neueste Kamera kann er bis heute nicht verstehen.
In diesem Zusammenhang zitiert er gern Georg IR:
„Der Amateur sorgt sich um die richtige Ausrüstung,
der Profi sorgt sich ums Geld und
der Meister sorgt sich ums Licht.“
Von den Referenten der Workshops nahm Markus Jung stets Anregungen mit, die die Ausrüstung allein nicht bieten kann: eine besondere Arbeitsweise hier, einen speziellen Umgang mit dem Licht da. Auch wie man Models am besten anspricht, den Blick für Minimalistisches öffnet und vieles mehr wird am besten persönlich vermittelt. Am häufigsten gehört hat er diesen wichtigen Hinweis:
„You can’t get close enough!“
Wichtiger Fotoband: The Americans
Ein Fotobildband hat Markus Jung nachhaltig beeinflusst: “The Americans“ von Robert Frank. Als er das Buch in den 80er-Jahren kaufte, war ihm noch nicht bewusst, wie sehr dieser Bildband von 1958 die Kunst der Fotografie tatsächlich revolutioniert hatte. Erst viel später erfuhr er, wie Robert Franks raue, sozialkritische Betrachungsweise ihrer Zeit voraus war und durchaus aneckte. Diese Sichtweise hat ihm gezeigt, wie viel mehr in der Fotografie möglich ist, und dass der eigene Blickwinkel auch ganz anders sein darf.
Weiter Horizont
So geht es Markus Jung in seiner Fotografie immer darum, seinen Horizont offen zu halten und zu erweitern. Das gilt ganz besonders, wenn er mit der Kamera in der Hand loszieht. Meist hat er dabei zwar schon ein Thema, ein Projekt oder eine Bildidee im Kopf, aber sehr oft kommt es vor, dass doch etwas ganz anderes in der Kamera landet.
„Ich reagiere immer auf die Location, die Landschaft oder die Menschen um mich herum.“
Dabei hat er es sofort im Gefühl, wenn ihm dann ein besonderes, außergewöhnliches Foto gelungen ist.
Farbe oder Schwarz-Weiß?
Die Möglichkeiten, die die digitale Bildbearbeitung mit sich bringt, sind bei vielen Fotografen verpönt. Markus Jung empfindet das nicht so. Er verwendet sie zwar sparsam, aber gezielt. Wenn man durch leichte Bildbearbeitung aus guten Fotos sehr gute Fotos machen kann, sollte man das seiner Meinung nach nutzen. Meist ist es schon durch einen etwas anderen Bildbeschnitt oder einen Formatwechsel getan. Dazu genügt ihm ein kleines Fotoprogramm.
Besonders spannend findet der den „Schwarz-Weiß-Blick“. Bis auf ganz wenige Ausnahmen weiß er sofort, ob er ein Foto letztendlich in Farbe oder in Schwarz-Weiß entwickeln wird. Zwar arbeitet er durchgehend digital, aber die Bearbeitung von digitalen Fotos bezeichnet man häufig als „entwickeln“. Besonders in diesem Zusammenhang hat er auch gelernt, in Kontrasten, Schatten, Formen, usw. zu denken.
Die Persönlichkeit erspüren: Porträtfotografie
Viele von Markus Jungs Fotografien zeigen Menschen. Bei der Porträtfotografie steht der Mensch im Vordergrund, besser: die Persönlichkeit. Beim Fotografieren von Menschen offenbaren sich Markus Jung viele Charaktereigenschaften des Dargestellten. Im Laufe der Jahre hat er gelernt, den Menschen zu sehen, wie er wirklich ist, und nicht, wie er sich selbst darstellen möchte. Dies offenbart sich in kleinen Dingen, z. B. wie die Porträtierten sich vor der Kamera bewegen, sie er auf Anweisungen des Fotografen reagieren und wie sie in der Lage sind, nur für die Kamera einen Gemütszustand anzunehmen.
„Jeder Mensch trägt ja seinen Rucksack an Erfahrungen mit sich herum. Es ist erstaunlich, wie sich z. B. bei einem gemeinsamen Essen nichts davon offenbart, aber dann vor der Kamera für mich der Mensch direkt sichtbar wird. Ich finde dies unglaublich spannend.“
Die technische Seite
Doch in der Fotografie hilft auch das schönste Motiv nichts, wenn das technische Verständnis fehlt, um eine gelungene Aufnahme zu machen. Markus Jung setzt bei etwa 70% seiner Fotos die Zeitautomatik ein, da er so die Schärfentiefe durch die manuelle Blendeneinstellung kreativ handhaben kann. Bei 20% stellt er alles manuell ein, z.B. bei Stativaufnahmen, Langzeitbelichtungen usw.
Für die restlichen 10% nutzt er die Blendenautomatik. Das bietet sich z. B. bei sportlichen Ereignissen oder bewegten Tieraufnahmen an, da hierbei die Verschlusszeit und somit die Schärfe, zumeist wichtiger ist als die kreative Gestaltung mit der Schärfentiefe.
Wie in der Malerei, gibt es natürlich auch in der Fotografie Hilfsmittel, die dem Künstler das Leben erleichtern oder vieles überhaupt erst möglich machen:
- Verschiedenste Objektive z. B., vom Fish-Eye bis zum starken Tele-Objektiv.
- Außerdem ist ein stabiles Stativ sehr hilfreich, wenn man Langzeitbelichtungen, z. B. Nachtaufnahmen, Aufnahmen von fließendem Wasser, etc. machen möchte.
- Ein 1000er ND-Filter, also ein neutraler Graufilter, der auf das Objektiv geschraubt wird dient zur Verlängerung der Belichtungszeit. Damit kann man auch bei hellster Sonne die Belichtungszeit extrem verlängern und Bewegungsunschärfen produzieren (z. B. bei Wasser oder Menschen in Bewegung). Als Ergänzung sind hier Reduzierringe sinnvoll, damit der Filter auf mehrere Objektivdurchmesser passt.
- Und wenn man viel mit der Kamera zu Fuß unterwegs ist, lohnt es sich, neben Kamera- und Objekttaschen auch in ein Tragesystem zu investieren, mit dem man die Kamera an einem Rucksack oder Gürtel befestigen kann.
Neue Perspektiven und Sichtweisen
Bei Fotografie denkt man meist ausschließlich an gegenständliche Motive. In der Tat fotografiert Markus Jung auch größtenteils gegenständlich. Aber gelegentlich gibt es durchaus interessante abstrahierende Aspekte, z. B. wenn er sehr nahe an Dinge herangeht, mit Spiegelungen arbeitet oder mit den Verschlusszeiten spielt und so Bewegungsunschärfen produziert. Auf diese Weise entstehen Motive, die auf dem ersten Blick abstrakt anmuten und sowohl beim Fotografen als auch beim späteren Betrachter zu neuen Sichtweisen führen.
Fotos mit Botschaft
Diese neuen Sichtweisen, die durch extreme Nahaufnahmen oder ungewöhnliche Ausschnitte entstehen, beziehen sich aber nicht nur auf das Optische, sondern lassen auch die Gedanken neue Räume entdecken. In Markus Jungs fotografischer Arbeit spielen Offenheit, die Überwindung von Grenzen, Lust auf Neues und Improvisation eine große Rolle. Und genau das möchte er mit seinen Fotografien auch vermitteln, wenn er sie ausstellt und zeigt.
“Wir Fotografen sollten wissen:
Es gibt nicht nur eine Perspektive.“
Kreatives Zentrum
Auf die Frage, wo er am liebsten fotografiert, muss Markus Jung gar nicht nachdenken: „Draußen, draußen, und nochmal draußen!“
„Es ist wunderbar, hungrig und müde von einem Tag Fotografie nach Hause zu kommen. Immer leicht verdreckt oder verstaubt, weil ich mal wieder auf dem Boden lag oder irgendwo hochgeklettert bin. Und dann die Begegnung mit Menschen.“
Ein anderer Raum als das „Draußen“, der es ihm besonders angetan hat, ist sein eigener Seminarraum, in dem er seine Fotokurse gibt. Er bezeichnet ihn als sein kreatives Zentrum. Der Raum ist hell und licht, und immer wieder hört er von seinen Kursteilnehmern, wie wohl sie sich darin fühlen. „Ich hatte schon Menschen, die haben einen Kurs bei mir gebucht, nur weil Ihnen der Seminarraum so gut gefallen hat“, berichtet er schmunzelnd.
An insgesamt acht Meter Fotoschienen präsentiert er Foto-Aufnahmen, die den Teilnehmer*innen Lust machen sollen, die Kamera in die Hand zu nehmen.
Fotografieren macht glücklich
„Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden
und draußen gibt es nur eine Sonne.
So ist meine Fotografie.“
Markus Jung ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er bezeichnet sich selbst als „Fotografie-verrückt, Reise-süchtig, Playlist-Liebhaber und Europäer mit rheinischem Dialekt“.
Er gibt regelmäßig Fotokurse und veranstaltet Fotoreisen, z. B. nach Norwegen, Schweden oder die Provence. Demnächst wird er auch als Dozent bei artistravel tätig sein.
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