Kleinformatige Bilder zu malen hat einen ganz eigenen Reiz. Durch die Verkleinerung wird eine Konzentration auf das Wesentliche notwendig – erst einmal sicher eine Herausforderung!
Wer diese Herausforderung annimmt, wird belohnt durch die Entwicklung einer ganz eigenen, neuen Sichtweise. Es entstehen im wahrsten Sinne des Wortes neue Welten. Denn plötzlich stimmen selbst bei einem vertrauten Motiv die Größenverhältnisse nicht mehr. Das zwingt den Künstler zu einer neuen Auseinandersetzung mit dem Motiv und zu einem geschärften Blick für das Wesentliche.
Weniger Zeit, weniger Material, weniger Platz
Als erster Vorteil bei einem kleinen Format fällt vielen zwangsläufig zuerst der Faktor Zeit ein. Ein kleines Werk benötigt aufgrund seiner kleineren zu bearbeitenden Fläche weniger Zeit bis zur Fertigstellung. Natürlich bietet ein großes Format sehr viel mehr Fläche, die konzeptioniert und erarbeitet, schließlich dann bearbeitet und „ausgefüllt“ sein will. Von daher beansprucht das größere Format gegenüber dem kleineren Bild auch mehr Zeit.
Außerdem braucht man zum Erarbeiten eines Motiv auf kleinem Raum deutlich weniger Farbe, Struktur- und anderes Material als ein größeres Format. Das setzt natürlich voraus, dass beide verglichene Formate in etwa derselben Technik erarbeitet werden.
Darüber hinaus lässt sich ein kleines Format besser aufbewahren, es beansprucht schlicht weniger Platz. Ungerahmt kann man es z. B. einfach in einer Mappe aufbewahren. Und häufig findet es auch leichter Liebhaber und Kunstsammler, denn der Platz für eine Hängung ist oftmals einfacher zu finden, und sei es in einer Petersburger Hängung. Kleinere Formate sind aus diesem Grund auch häufig willkommene Geschenke, denn sie lassen sich auch leichter verschicken und transportieren als große Werke.
Was ist das Kernthema?
Aufgrund des geringen zur Verfügung stehenden Raums muss sich der Künstler sehr genau überlegen, was das Wichtigste an seinem Motiv ist. So kann es bei einem kleinen Bild meist nicht darum gehen, ein Motiv oder eine Vorlage einfach abzubilden. Vielmehr muss das Motiv auf das Wesentliche reduziert werden. Also muss man sich als Künstler des Kernthemas des Motivs bewusst werden. Dies erfordert eine viel intensivere Auseinandersetzung mit dem Motiv, als es vielleicht bei einem größeren Bild notwendig wäre.
Gute Vorplanung
Ganz besonders bei einem kleinformatigen Bild ist eine gute Vorplanung das A und O! Wo soll sich der Bildschwerpunkt befinden? Passt das ganze Motiv auf das Format oder muss ein Ausschnitt gefunden werden? Welche Details können entfallen, welche sind wichtig für die Aussage? Bereits vor Malbeginn sollte man sich all diese und mehr Fragen stellen und beantworten, möchte man nicht Gefahr laufen, dass am Ende ein Teil des Motivs nicht mehr auf das Blatt passt oder das Bild zu kleinteilig erscheint.
Interpretation und neue Sichtweise
Diese intensivere Auseinandersetzung mit dem Motiv, auch bereits im Vorfeld des Malens, zwingt den Künstler zu einer neuen Sicht- und Herangehensweise. Diese wiederum kann zu völlig neuen Blickwinkeln und Interpretationen führen. Der Künstler Wilhelm Fiskisz beispielsweise, dessen Buch „Aquarellmalerei – Lieblingsmotive im kleinen Format“ sich exklusiv diesem Thema widmet, meint zum kleinen Format:
„Es strahlt für mich auch etwas Wertvolles aus, denn je kleiner das Format, desto wertvoller die Botschaft, die daraus entsteht. Die Botschaft ist schwieriger zu formen und auch schwieriger zu entschlüsseln, deshalb wird sie so kostbar.“
Feinfühliges Arbeiten mit praktischen Vorzügen
Das Arbeiten auf begrenztem Raum verlangt auch bei den Pinseln nach kleineren Größen. Denn auf einem kleinen Malgrund gilt es, besondere Umsicht walten zu lassen.
Die Farbgebung will daher ebenso wohlüberlegt sein wie die Verteilung der Farben im Werk. Arbeitet man mit Aquarellfarben, ist zum Beispiel der Weißraum kleiner als bei größeren Formaten. Darauf muss man achten, wenn Licht ins Bild kommen soll.
Dafür stellt ein kleineres Format aber keine großen Anforderungen an den Malgrund. Dagegen müssen größere Formate eine gewisse Stabilität oder ein höheres Papiergewicht aufweisen, damit sich der Untergrund später nicht verzieht oder wellt.
Kleines Format – kleine Erwartungen
Ein weiterer Vorteil liegt im psychologischen Aspekt: Ein kleineres Werk scheint an den Künstler nicht ganz so hohe Erwartungen zu stellen wie die große, raumgreifende Fläche.
Die Furcht vor dem weißen Blatt ist dann nicht so groß, denn der Bildraum ist schneller gefüllt. Auf diese Weise traut man sich leichter an ein Motiv heran. Und der Gedanke, dass bei einem Nicht-Gelingen nur wenig teures Material eingesetzt wurde, macht mutiger.
Das kleinere Format lässt im wahrsten Sinne des Wortes weniger Raum für Selbstzweifel und bietet dafür im Gegenzug ungeahnte Möglichkeiten für eigene Interpretationen und Sichtweisen!
Aquarellmalerei
Lieblingsmotive im kleinen Format
Wilhelm Fikisz
22,3 x 22,6 cm, 120 Seiten, ca. 80 Abbildungen, Hardcover
Christophorus Verlag
ISBN: 9783862304240
19,99€12
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Hallo zusammen, ich bin sehr froh, euch gefunden zu haben. Mein Wunsch, mit Kunst u. Kreativität in Berührung zu kommen war immer schön da. Jedoch glaubte ich, dafür ins Museum gehen zu müssen. Ich freu mich und bin gespannt…. Liebe Grüße, Christiane