Wesentlich für den Umgang mit Aquarellfarbe ist ganz sicher das Wissen um die grundlegenden Maltechniken. Sie sind die Voraussetzung dafür, um frei und kreativ arbeiten zu können. Daher bilden sie auch die Grundlage für die Entwicklung eines eigenen Stils. Aquarellmalerei ist dann im besten Fall beides – Wagnis der Kreativität und Technik!
Kontrolle und Zufall
Wenn ich eines in den Ateliers der verschiedensten Aquarellkünstler gelernt habe, dann das, dass die Aquarellfarbe nur teilweise steuerbar ist und der Zufall eine oft nicht unerhebliche Rolle spielt. Aber um abschätzen zu können, wann man die Komposition gezielt beeinflussen kann und wann man die Kontrolle aufgibt und den freien Farbverlauf besser zulässt, muss man die Technik von Grund auf erlernen.
Keine Fehlertoleranz
Schnelle Erfolge, wie man sie von anderen Techniken durchaus gewohnt ist, darf man von der Aquarellmalerei nicht erwarten. Fehler verzeiht sie nämlich eher nicht. So ist, anders als bei der Acryl- oder Ölmalerei, das Übermalen keine Option. Und jeder Farbauftrag, auch helle Farblasuren übereinander, potenzieren sich und addieren sich zu einem dunkleren Ton. Auswaschungen von Farbe sind zwar im Nachhinein möglich. Viele Pigmente lassen sich aber nicht rückstandslos wieder auswaschen und bleiben als Schatten auf dem Papier stehen.
Dafür beinhaltet die Aquarellmalerei aber auch ein großartiges Potential an Ausdrucksmöglichkeiten. Für mich ist die Aquarellmalerei die Technik der Freigeister!
Mehr Papierweiß, mehr Licht
Beim Aquarell ist das Ausgelassene mindestens genauso wichtig wie das Abgebildete. Die gestalterische Entscheidung für die Weißräume im Bild sind genauso Bild bestimmend wie die farbig ausgeführten Bildbereiche. Der hellste Ton im Werk ist das Papierweiß, und dieser Ton lässt sich als Bildelement ganz konkret nutzen. Er stellt nämlich das Licht im Motiv dar. Es sind daher vorrangig die Schattenflächen, mit denen der Aquarellmaler sein Motiv formt, indem er lasierend oder lavierend Dunkelheiten setzt und auf diese Weise sein Motiv plastisch herausarbeitet.
Lasieren – Schichtarbeit
Bei der Lasur handelt es sich um das schichtweise Übereinanderlegen von Farbpigmenten. Eine Farbschicht wird hierbei über die nächste gelegt. Die Farbschichten überlagern sich bei der Aquarellmalerei nicht deckend, die untere Farbe scheint immer hindurch und bleibt sichtbar.
Nach dem Trocknen der ersten Farbschicht kann dann eine weitere transparente Schicht im gleichen Farbton aufgetragen werden. Dabei wird die darunter liegende Farbschicht in ihrer Leuchtkraft verstärkt. Die farbigen Lasuren addieren sich zu einem satteren, intensiveren Ton.
Durch die Lasurtechnik kann der Aquarellmaler ein Motiv mit einer Farbe allein dadurch plastisch herausarbeiten, dass er an den dunkelsten Motivstellen weitere Lasurschichten aufträgt. Dafür muss der vorangegangene Farbauftrag unbedingt vollständig getrocknet sein, bevor man einen erneuten Auftrag vornimmt. Ansonsten vermischen sich die Farbaufträge und verlieren an Leuchtkraft.
Wählt der Künstler für seine Farblasuren nicht nur einen Farbton, sondern verschiedene Farben, so entstehen auf dem Papier Farbmischungen und optisch neue Farben. Diesen Umstand gilt es bei der Lasurtechnik immer zu bedenken, wenn man mit verschiedenen Farbtönen arbeitet. Das Mischen der Farbe findet also nicht allein im Farbkasten oder auf der Palette statt, sondern kontrolliert auch direkt auf dem Papier. Mit der Lasur setzt der Maler scharf begrenzte Flächen und akzentuiert seine Komposition.
Lavieren – Wasser marsch!
Der Begriff „Lavieren“ leitet sich von dem französischen „laver“ ab, was soviel wie „waschen, verwaschen“ bedeutet. Beim Lavieren kommt das namensgebende Aqua der Aquarellfarbe so richtig zum Einsatz. Bei der Lavur handelt es sich um eine Verlaufstechnik. Durch gleichmäßiges Lavieren lässt sich ein sehr einheitlicher Farbauftrag erzielen. Diese Technik wird häufig für den ersten Farbauftrag bei der Bildanlage gewählt.
Farbverlauf
Auch den Übergang von einem kräftigen Farbauftrag hin zu helleren Tonstufen, einen sogenannten Farbverlauf, erzielt man lavierend durch die Hinzunahme von sehr viel Wasser. Doch anders als beim kontrollierten Lasieren – also dem schichtweise vorgenommenen Farbauftrag auf zuvor getrockneten Farbschichten – fließt bei der Lavur die flüssige Farbe willkürlicher.
Der Zauber der Unregelmäßigkeit
Die Farbe sucht sich auf dem Papier je nach Oberflächenstruktur ihren eigenen Weg. Pigmente sammeln sich in Pfützen, trocknen wolkig-unregelmäßig auf oder laufen auseinander. Die Verlaufstechnik entfaltet genau deshalb auch einen ganz eigenen Zauber. Der Aquarellmaler erreicht durch die Lavur eine Lebendigkeit im Ausdruck, wie er sie gesteuert nur schwer erzielen könnte. Setzt man unterschiedliche Farbtöne in seinem Bild ein, so entstehen durch die Verlaufstechnik neue Zwischentöne und interessante Übergänge, wenn die feuchten Farben im Bild aufeinandertreffen. Auf diese Weise kann der Maler die unterschiedlichen Farbtöne gekonnt miteinander verweben.
Das Verhältnis macht’s
Doch so schön die Verlaufstechnik der Lavur im Aquarell ist, so gelernt will diese Technik sein. Das richtige Mengenverhältnis von Wasser und Farbe ist hierbei genauso entscheidend wie ein gewisser Erfahrungshintergrund über das Fließverhalten der Farben auf dem Papier. Das Gefühl hierfür entwickelt man durch die Praxis und durch engagierte Wiederholung. Kreativität wächst eben auch immer mit dem eigenen Tun.
Nass in Nass
Die Nass-in-Nass-Technik ist ebenfalls eine Verlaufstechnik. Bei ihr setzt man Farbe in eine noch feuchte Farbfläche oder direkt auf das mit Wasser befeuchtete Papier, eben nass in nass. Bedingt durch den feuchten Untergrund verläuft die aufgetragene Farbe weich und wolkig. Mit einem trockenen Pinsel oder einem Papiertaschentuch kann die Farbe auch wieder vom Papier abgenommen werden. Auf diese Weise entstehen beispielsweise Wolken. Die Nass-in-Nass-Technik wird daher insbesondere für die atmosphärische Darstellung von Luft, Wolken und Wasser herangezogen. Und sehr gerne verwendet man sie für einen ersten atmosphärischen Farbauftrag bei der Bildanlage. Nach dem Trocknen lässt sich dann durch Lasuren das Motiv weiter konkretisieren und akzentuieren.
Granulieren, Sprenkeln, Klecksen und Tupfen
Neben den Haupttechniken der Lasur und der Lavur gibt es noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, die Aquarellfarbe zu Papier zu bringen. Je mehr Routine man dabei im Umgang mit der Farbe entwickelt, desto freier und lockerer gehen einem diese Techniken von der Hand.
Granulieren
Beim Granulieren wird die Farbe mit möglichst wenig Wasser, also fast trocken, aufgetragen. Dadurch bleiben die Farbpigment an den Erhebungen des Aquarellpapiers haften. Die Vertiefungen bleiben frei. So entsteht ein körniger, durchbrochener Effekt, der sich gut für die Darstellung natürlicher, unregelmäßiger Oberflächen wie etwa Baumrinde eignet.
Sprenkel und Spritzer
Sprenkel, Farbspritzer und Kleckse beleben, richtig eingesetzt, ein Werk maßgeblich. Auch mit ihnen erzielt man interessante raue Oberflächenstrukturen. Je nach Pinselwahl fallen Spritzer und Sprenkel unterschiedlich aus. Wählt man einen Rundpinsel, Farbe und viel Wasser, erzielt man größere und weich verlaufende Farbkleckse durch leichtes Stippen auf dem Pinselstil. Blattwerk von Bäumen und Sträuchern lässt sich auf diese Weise lebendig wiedergeben.
Mit einem Borstenpinsel erzielt man feinere Sprenkelpunkte, indem man mit dem Finger von unten nach oben über die Borstenenden des feuchten Pinsels fährt.
Für die Darstellung von Sand und feinen Steinstrukturen eigenen sich diese feinen Sprenkel ganz besonders gut.
Die Größe der Farbsprenkel ist proportional zur Länge der Pinselborsten: Je kürzer die Borsten, desto kleiner die Sprenkel!
Tropfen und Tupfen
Tropft man mit dem Rundpinsel nur einen einzelnen großen Tropfen auf das Papier, so kann man dessen Fließverhalten und -richtung übrigens durch leichtes Pusten etwa mit einem Strohhalm gezielt steuern. Oft verleiht so ein einzelner Tropfen einem Werk erst den ganz besonderen „Kick“ und Schwung, wie etwa der rote Tropfen in dem Werk „Olivenbäume auf Mallorca“ von Wilhelm Fikisz.
Eine ebenfalls sehr oft angewandte Technik, um vegetative Strukturen wiederzugeben, ist die Technik des Tupfens. Die Aquarellfarbe kann mit Schwämmchen (schön ist ein Naturschwamm), Stofftüchern oder einfachem Küchenkrepppapier aufgenommen und anschließend aufgetupft werden. Insbesondere Blütendolden lassen sich hierdurch sehr schön wiedergeben.
Aussparung
Die Technik des Aussparens hingegen steht im engen Zusammenhang mit dem Licht im Bild. Wie bereits oben beschrieben ist das Papierweiß der hellste Ton im Bild. Die gestalterische Entscheidung für die Weißräume im Bild ist gleichbedeutend mit der gestalterischen Entscheidung für die Lichtreflexe im Bild. Sie will daher im Vorhinein bedacht und eingeplant sein, denn das Weiß im Aquarell wird nicht gemalt, sondern ausgespart. Genau darin liegt auch die größte Herausforderung der Aquarellmalerei überhaupt: Vor dem eigentlichen Malprozess muss man sich bereits über den Bildaufbau im Klaren sein.
Schablonen und Masken
Um größere Flächen aussparen zu können, haben sich Aquarellkünstler schon immer der Technik des Abdeckens und Aussparens bedient. So kann man sich Schablonen aus Papier anfertigen und die Farbe darumherum sprenkeln oder auch sprühen. Solche Schablonen oder Masken kann man auch aus Kreppband anfertigen, wenn nur kleine Abdeckungen von Nöten sind. Sie haben den Vorteil, dass sie sich gut fixieren lassen.
Maskiermittel Rubbelkrepp
Seit einigen Jahre bietet der Fachhandel ein flüssiges Maskiermittel an, das sich mit dem Pinsel austragen lässt. Man lässt das sogenannte Rubbelkrepp trocknen und kann danach Farbaufträge vornehmen. Die zuvor maskierten Bildteile bleiben vor der Farbe geschützt, und nach dem Trocknen des Farbauftrags lässt sich das trockene Maskiermittel rückstandslos entfernen. Es wird einfach wieder abgerubbelt und die ausgesparte Fläche kann weiter bemalt werden.
Die freie Maltechnik
Häufig kommen verschiedenen Techniken in einem Aquarellbild zum Einsatz, um das gewünschte malerische Ergebnis zu erzielen.
Alle Techniken zusammen können die Aquarellmalerei zu dem machen, was sie eigentlich ist und schon immer wahr: eine Technik für Individualisten. Da sie mit so wenig an Material auskommt, passt sie auch bestens in unsere heutige mobile Welt hinein. In Kombination mit Urban Sketching werden die Aquarellfarben zudem auch von jüngeren Künstlerinnen und Künstlern bereits seit geraumer Zeit wiederentdeckt. Man hat einfach ihr enormes Gestaltungspotential als freie Maltechnik erkannt und neu bewertet.
Vielen Dank
an die Künstler!
Wilhelm Fikisz
www.fikisz.com
Gris
www.gris030.de
Bodo Meier
www.bodo-meier.de
Brigitte Waldschmidt
brigitte-waldschmidt.de
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Atelier-Wissen: Acrylfarben 3
Malgründe und Grundierungen
Ein sehr schöner Beitrag! Du sprichst Aquarellmalern, die wirklich Aquarelle malen und nicht mit Aquarellfarben zeichnen, aus der Seele!
Herzliche Grüße und weiter so!!
Kirsten Behme-Priebsch
http://www.kirsten-behme-priebsch.de